Zoran Minic
Mehr als jede andere italienische Stadt musste und wollte sich Mailand immer wieder neu erfinden. Der stete Wandel hat sich in das Gedächtnis der Stadt eingeschrieben. Es ist eine dynamische Stadt, die ihre Wasserwege zähmte. Um das massive Wachstum zu Beginn des letzten Jahrhunderts möglich zu machen, wurde ihre Präsenz nahezu verleugnet. Es ist ein Ort, an dem die Schönheit aktiv gesucht werden muss, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Urbanisierung und Natur lässt sich nur mehr selten finden.
Losgelöst vom alltäglichen Kontext und außerhalb jeder Komfortzone bewegt sich Zoran Minic durch die Stadt auf der Suche nach der Erinnerung an diese Wasserwege und hält an den verbliebenen Spuren inne. In seinem Werk ist das Wasser zu einer Art Wegweiser geworden: eine fließende und bewegliche Karte. Die Wege des Wassers überquert man oder geht an ihnen entlang, man kann sich an ihnen immer wieder neu orientieren. Durch einen akribischen Prozess der Auswahl und des Wegnehmens und durch die Vermeidung eines rein realistischen Ansatzes zerlegt er die Stadt in ihre Teile.
Die Perspektiven der Gemälde ergeben sich aus der Überschneidung von Erinnerung und Realität und schaffen eine imaginäre Taxonomie der urbanen Orte. Weit entfernt von fotografischen oder emotionalen Beschreibungen oszillieren Zorans Gemälde zwischen komplexen Darstellungen aus der Ferne und architektonischen Details. Sie sind der Versuch, ein Bild der Stadt durch seine persönliche Erzählung zu rekonstruieren. Neuinterpretation und Rekonstruktion koexistieren in reduzierten Gemälden, die sich von der realen Welt lösen. Der italienische Fotograf Luigi Ghirri kommentierte diese Methode mit den Worten: „Die Auslöschung des Raums, der den Rahmen umgibt, ist für mich ebenso wichtig wie der dargestellte Teil, und dank dieser Reduktion erhält das Bild seine Bedeutung.“
Loslösung von der Realität, die Interpretation der Erinnerung und die intuitive Ergänzung dessen, was ungesehen bleibt, werden grundlegend für die Schaffung neuer ikonografischer Bilder. Zusätzlich tragen opake Farbtöne zur Definition des öffentlichen Raums bei und weiches Licht unterstreicht die geografische Lage von Mailand. In seinem neuen Werkzyklus lädt uns Zoran Minic ein, verborgene Orte Mailands zu entdecken.
Marissa Morelli
Zoran Minić, geboren 1964 in Kruševac, Serbien, ist Architekt, Designer und Maler. Er schloss sein Studium an der Universität für Architektur in Belgrad ab und erwarb einen Master-Abschluss in Design an der Domus Academy in Mailand. Nach Jahren der Zusammenarbeit mit Aldo Cibic gründete er zusammen mit Dragana Minić POP Solid, ein multidisziplinäres und experimentelles Büro, in dem Design- und Architekturprojekte realisiert werden. Er gehört zu den Gründern von ‚Recession Design‘, einer Forschungsgruppe, die neue Design-Do it Yourself-Lösungen entwickelt. Zwei Bücher über ihre Arbeit wurden von Rizzoli veröffentlicht. Im Jahr 2022 erhielt Zoran das Stipendium „AArtist in Residence“ des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Die daraus resultierende Arbeit wurde in der Ausstellung „Iconography of Berlin“ in der Galerie Albrecht gezeigt. Zoran lebt und arbeitet zwischen Mailand und dem Comer See.
Zoran Minic
Milan, more than any other Italian city, has continually needed and wanted to reinvent itself, forging its memory around its perpetual change. It is a dynamic city which has tamed its waterways, by denying their presence to support the massive urban growth occurring at the beginning of the last century. It is a place where beauty must be actively sought, as it results from a delicate balance between urbanisation and the natural environment.
Detached from daily context and removed from any comfort zone, Zoran Minic moves through the city chasing the memory of these waterways, pausing at the remaining traces. In his work, water has become sort of a territorial guide: a fluid and moving map to traverse, through which new orientations can be found. Thus, through a meticulous process of selection and subtraction, and by avoiding a purely realistic approach, he dissects the city into its parts.
The paintings perspectives result from overlapping memory and reality, creating an imaginary taxonomy of urban places. Far from photographic or emotional descriptions, Zoran’s paintings oscillate between representations from afar and architectural details, attempting to reconstruct an image of the city through his personal narrative. The newly interpreted and its restoration coexist in reduced paintings that detach themselves from the real world. The Italian photographer Luigi Ghirri commented on this method by saying, ‚The erasure of the space surrounding the frame is as important to me as the presented part, and it is thanks to this reduction that the image takes on meaning.‘
The separation from reality and the interpretation of memory, the imagination of what remains unseen, become functional to the creation of new iconographic images. Additionally opaque hues contribute to the definition of the public place, and soft light emphasises the geographical location of Milan. In his new cycle of work Zoran Minic invites us to discover hidden spaces of Milan.
Marissa Morelli
Zoran Minić, born in 1964 in Kruševac, Serbia, is an architect, designer and painter. He graduated at the University of Architecture in Belgrade and holds a Master’s Degree in design from the Domus Academy in Milan. After years working as a partner with Aldo Cibic, he founded POP Solid with Dragana Minić, a multi-disciplinary and experimental practice in which design narratives and architectural projects are realised. He is among the founders of ‘Recession Design’, a research group developing new Design Do it Yourself solutions. Two books of their work were published by Rizzoli. In 2022 Zoran was awarded the grant “AArtist in Residence” by the German Federal Foreign Office. The resulting work was shown in the exhibition ‚Iconography of Berlin’ at Galerie Albrecht. Zoran lives and works between Milan and Lake Como.
Photography by Sandy Volz