Ruth Bernhard
Auch wenn Ruth Bernhard in ihrer rund vier Jahrzehnte währenden kreativen Beschäftigung mit der Fotografie viele Themenbereiche ebenso ideenreich erprobt wie sensibel bewältigt hat, bis heute und vor allem in Europa wird sie insbesondere mit dem weiblichen Akt konnotiert. Stillleben im Geist der Neuen Sachlichkeit hat sie aufgenommen, im Auftrag Mode fotografiert, Kinder- und Tierporträts geschaffen, Muscheln oder Schnecken für die Kamera arangiert, Blätter und Blüten in Schwarzweiß erkundet, Gürtelschlie.en als Sujet entdeckt, vor allem Teile von Spielzeugpuppen auf bisweilen surreale Art und Weise arrangiert. Und doch ist es speziell der weibliche Akt, der sie über Jahrzehnte beschäftigt und als immer wieder neue Herausforderung begleitet hat.
– Hans Michael Koetzle: Mediations on the Beauty. Auszug aus: Ruth Bernhard Ausstellungskatalog der Galerie Albrecht, Berlin 2021.
Alle Fotografien von Ruth entstanden aus einem tiefen Respekt, einer Ehrfurcht und Liebe heraus für das, was sie erlebt hat. Sie beschrieb den fotografischen Prozess mit Begriffen, die mit der Meditation oder einem Zen-mäßigen Seinszustand verwandt sind. Ruth verbrachte Stunden, Wochen oder sogar Monate damit, ihre ausgewählten oder gefundenen Sujets zum Fotografieren zu arrangieren. Sie ging an diese Erfahrung wie eine Bildhauerin heran und suchte das intrinsische Leben in der Materie. Sie suchte mit einer entschlossenen und einzigartigen Konzentration der Anstrengung nach Perfektion, bevor sie eine einzige Aufnahme machte, was dann ein Akt der Dankbarkeit und Wertschätzung für das Geschenk war, das ihr präsentieret wurde, und für ihr ganzes Leben. Sie protestierte entschieden gegen die vorherrschende Idee, dass Fotografien „geschossen“ werden. Für sie war eine Fotografie eine Fusion von Kreativität, die Verbindung oder Zusammenarbeit zwischen einer Fotografin und dem, was fotografiert wird, und deshalb wurde eine Fotografie immer „gemacht“.
– Michael Kenna: Das Unsichtbare fotografieren. Auszug aus: Ruth Bernhard Ausstellungskatalog der Galerie Albrecht, Berlin 2021.
Ich versuche, mir immer des Lichts bewusst zu sein, ich halte immer Ausschau danach. Ich schaue das Licht nicht an, weil ich Fotografin bin, sondern ich bin Fotografin, weil ich zutiefst mit dem Licht involviert bin. Etwas passiert, wenn ich von einer visuellen Erfahrung berührt werde, es ist bedeutsam über das hinaus, was ich sehe. Wenn ich einen Baum betrachte, kann ich die unsichtbaren Dinge nicht vergessen, die Wurzeln, das Wassersystem im Inneren des Baums. Wenn ich fotografiere, versuche ich, diese Unsichtbarkeiten fühlbar zu machen. Ich identifiziere mich mit der Natur und mit natürlichen Objekten. Ich werde zu dem Ding, das ich fotografiere. Ich muss mich darin verlieben.
– Ruth Bernhard
Even if Ruth Bernhard tested many subjects both imaginatively, and mastered them sensitively in her about 40 year-long creative career as a photographer, to this day and above all in Europe, she is especially associated with the female nude. She photographed still lifes in the spirit of new objectivity, she was commissioned to photograph fashion, she created portraits of children and animals, arranged seashells and snails for the camera, explored leaves and blossoms in black and white, discovered belt buckles as subjects, and arranged parts of dolls in a sometimes surreal fashion. And yet it is specifically the female nude that preoccupied her over decades, and posed for her an always new challenge.
– Hans-Michael Koetzle: Meditations on the beauty. Excerpt from: Ruth Bernhard Exhibition catalogue by Galerie Albrecht, Berlin 2021.
All of Ruth’s photographs were created out of a deep respect, reverence and love for what she experienced. She described her photographic process in terms akin to meditation or a Zen like state of being. Ruth would spend hours, days, weeks or even months arranging her chosen or found subject to be photographed. She entered into the experience like a sculptor, finding the intrinsic life in material matter. She searched for perfection with a fierce and singular concentration of effort, before eventually making a single exposure, which became an act of thankfulness and appreciation for the gift that was presented to her, and for her whole life. She strongly objected to the prevalent terminology of “taking” or “shooting” photographs. For her, a photograph was a fusion of creativity, the connection or collaboration between a photographer and what is being photographed, and therefore a photograph was always “made”.
– Michael Kenna: Photographing the invisibles. Excerpt from: Ruth Bernhard Exhibition catalogue by Galerie Albrecht, Berlin 2021.
I try to be aware of light at all times, I am always watching for it. I am not looking at light because I am a photographer, I am photographing because I am deeply involved with light. Something happens when I am affected by a visual experience, it is meaningful beyond what I am looking at. When I look at a tree, I cannot forget the invisibles, the roots, the water system inside the tree. When I photograph, I try to make those invisibles felt. I identify with nature and natural objects. I become the thing I photograph. I have to fall in love with it.
– Ruth Bernhard